Archäologische Analysen auf Siedlungsebene (Mikroebene)
Anna Stöcker, Silviane Scharl
Wandel und Diversifizierung im Siedlungswesen müssen auch auf lokaler Maßstabsebene analysiert werden, um diese Prozesse im Detail zu verstehen und die Kontexte beurteilen zu können. Hierbei stehen die konkreten Veränderungen im Siedlungswesen, also in der Struktur, -organisation und –funktion der Siedlungen im Mittelpunkt. Von großer Bedeutung ist dies auch für die Interpretation der naturwissenschaftlichen (on‐site) Ergebnisse sowie die Beprobungsstrategie für weiterführende Analysen (Lipid‐ und Isotopenanalysen, 2. Antragsphase) am Ende der 1. Antragsphase, um Organisation und Funktion der Siedlungen konkret mit landwirtschaftlichen Praktiken verknüpfen zu können. Der Fokus liegt dabei auf Siedlungen, die in den Phasen Großgartach und v.a. Rössen belegt waren, da sich anhand bisheriger Daten andeutet, dass die beschriebenen Veränderungen in der Rössener Stilphase einsetzten. Zu diesem Zweck wurden im Untersuchungsgebiet drei mittelneolithische Siedlungen ausgewählt, die großflächig und modern gegraben worden sind und archäobotanisches sowie archäozoologisches Probenmaterial erbracht haben. Dies sind die Fundplätze Bad Sassendorf (Westfalen), Estenfeld und Wallmersbach (Mainfranken).
Im Mittelpunkt der Analysen dieser Fundplätze steht das Fundmaterial. Eine typochronologische Analyse der Keramik soll Aussagen zur internen räumlich‐zeitlichen Entwicklung der Fundorte erlauben (Abb. 1). Die Untersuchung der Keramik wird ergänzt durch die Auswertung von stratigraphischen Überschneidungen und der architektonischen Entwicklung der Hausgrundrisse. Hierfür wird derzeit eine morphometrische Analyse der bisher vorhandenen Hausgrundrisse aus den Phasen Großgartach und Rössen durchgeführt (Abb. 2). Die Auswertung des lithischen Fundmaterials soll Aufschlüsse über Tausch‐ und Kommunikationsnetzwerke geben (Abb. 3).
Anschließend ist ein großräumiger Vergleich geplant, der die Frage diachroner Veränderungen von Siedlungs- und Sozialstruktur erörtern soll. Hierzu werden alle publizierten mittelneolithischen Siedlungspläne im Hinblick auf ihre räumlich‐zeitliche Entwicklung untersucht. Am Fundplatz Inden 1 konnten Hinweise auf eine zunehmende Hierarchisierung der Siedlungsgemeinschaft beobachtet werden, was sich möglicherweise auch in anderen Siedlungen nachweisen lässt. Zuletzt soll ausgehend davon zusätzlich den Fragen nach der Entstehung dörflicher Strukturen und nach veränderten Sozialstrukturen nachgegangen werden.
Die zu erwartenden Ergebnisse werden mit den Beobachtungen zu großräumigen Siedlungsmustern (Projektteil Archäologie-Makroebene) korreliert, um dadurch den Zusammenhang zwischen dem großräumig zu beobachtenden Siedlungsausbau und Veränderungen der Siedlungs‐ und Sozialstruktur verstehen zu können.